Ernst Mayr liegt seit zwei Wochen krank darnieder. Ein Zehntel seiner rund 1.400 Mitarbeiter hat Corona ebenso erwischt. Seit Wochen versuche er, Führungskräfte an einen Tisch zu bekommen, erzählt der Eigentümer des Textilhändlers Fussl. "Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Aber die Firma läuft weiter. Irgendwie geht’s immer."

Mayr zählt in seinem Unternehmen deutlich mehr Ausfälle als während bisheriger starker Grippewellen. In seinen Filialen fehlten mitunter zwei, drei Mitarbeiter gleichzeitig. Kurzfristig zusperren musste er bisher dennoch nicht. Denn Teilzeitkräfte übernahmen zusätzliche Schichten, Vollzeitbeschäftigte machten Überstunden oder wechselten kurzfristig an knapp besetzte Standorte. "Die Flexibilität der Leute in schwierigen Zeiten wie diesen ist hoch. Alle helfen zusammen."

Auch bei Viktor Wagner hat das Ausmaß an Personalmangel jenes während normaler Grippewellen längst überschritten. Der Eigentümer des Facility-Dienstleisters Reiwag spricht von enormen Herausforderungen, um als Systemerhalter den Betrieb zur Gänze aufrechtzuerhalten. Vieles wurde reorganisiert, gesunde Mitarbeiter arbeiten länger.

Auch die Post leidet unter Corona. Glück im Unglück: Es ist gerade keine Packerl-Hochsaison.
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Personell eng geht es einmal mehr bei der Post zu. Die starke Welle an Covid-Infektionen trifft den Dienstleister landauf, landab. Dennoch habe man noch Glück im Unglück, sagt Konzernsprecher Markus Leitgeb. Hochsaison sei keine, das Weihnachtsgeschäft vorbei und der Konsum generell gedämpft. Entsprechend niedriger sei die Menge an Sendungen und Paketen, was es erleichtere, die Personalengpässe auszubalancieren.

Mehr Ausfälle, dafür kürzere

Was bedeuten die extrem hohen Infektionszahlen statistisch? Derzeit befinden sich, den Zahlen des Gesundheitsministeriums zufolge, rund 562.000 Menschen in Absonderung. Wobei unterschieden werden mus: Etwas mehr als 455.000 unter ihnen sind aktiv mit dem Virus infiziert, weitere 117.000 als K1-Kontakt in Quarantäne. Wien und Kärnten hätten aber keine aktuellen K1-Zahlen eingemeldet, heißt es im Ministerium.

Mehr Ausfälle als sonst zu dieser Jahreszeit zählen auch Supermarktketten wie Spar. Pausieren musste deswegen aber noch keine Abteilung, sagt Konzernsprecherin Nicole Berkmann. Die Ausfälle seien aufgrund der hohen Impfquote kürzer als zu Beginn der Pandemie: "Wir haben das gut im Griff."

Der Einrichtungshändler Lutz sieht seine Montagemannschaft am stärksten betroffen. Bei Touren würden daher vorausschauend 15 Prozent Puffer eingerechnet, sagt Unternehmenssprecher Thomas Saliger. Filialen seien mitunter weniger stark besetzt. Davon, das Geschäft deswegen erheblich einschränken zu müssen, sei jedoch keine Rede.

In manchen Betrieben fallen zahlreiche Mitarbeiter aus.
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Doch die Absonderungszahlen gehen nicht Hand in Hand mit Krankenständen. "Krankmeldungen kommen extra dazu, Corona-Infektionen scheinen bei uns nicht auf", sagt eine Sprecherin der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Die aktuellsten ÖGK-Daten gibt es aus Kalenderwoche acht, Ende Februar. Damals waren zusätzlich zu den Abgesonderten 230.000 Menschen im Krankenstand.

Im Vergleich zu 2021 ein deutlicher Anstieg, damals waren es zu dieser Zeit knapp 190.000, im Jahr 2020, als die Pandemie noch in den Anfängen steckte, aber 277.000 Menschen.

Wie viele Arbeitskräfte der Wirtschaft fehlen, lässt sich also nicht genau sagen. Abgesondert zu sein schließt schließlich nicht aus, nicht im Homeoffice arbeiten zu können.

Ziehen an allen Registern

Auch die Industrie kämpft mit Personalengpässen. Betriebe ziehen alle Register, um Produktionsausfälle zu vermeiden. Man sei mit ausgefeilten Präventionskonzepten durch die Covid-Krise gekommen, heißt es in der Papierfabrik Norske Skog im obersteirischen Bruck an der Mur. Derzeit befänden sich aber extrem viele Beschäftigte in Absonderung. Der Höhepunkt sei aber wohl schon überschritten.

Auch bei der Voestalpine heißt es, man kämpfe mit den hohen Zahlen, "aber die Produktion ist bislang nicht betroffen", sagt Sprecher Peter Felsbach. Allerdings habe man an manchen Stellen die Regelungen schon wieder nachgeschärft – Stichwort Maskenpflicht und Homeoffice.

Überstunden schieben

"Durchaus brenzlig" ist die Lage in manchen niederösterreichischen Betrieben, wie Industriellenvereinigung-Niederösterreich-Präsident Thomas Salzer sagt. Manche Betriebe hätten ihre Schichtmodelle umgestellt, anderswo müssen Beschäftigte Überstunden schieben, um den Ausfall der erkrankten Kollegenschaft zu kompensieren.

Ähnliche Töne schlagen die Energieversorger des Landes an. Wien Energie, Verbund und Salzburg AG sprechen unisono von zahlreichen Infektionen im jeweiligen Betrieb. Sprecherinnen aller drei Konzerne berichten von eigens erarbeiteten Konzepten, um den Betrieb am Laufen zu halten. So wurden etwa Teams gebildet, die sich nicht treffen.

Gefahr für die kritische Infrastruktur, sprich dass kein Strom mehr aus der Steckdose kommt, bestehe jedoch nirgends. (Verena Kainrath, Andreas Danzer, Regina Bruckner, 19.3.2022)